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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2005-09-19 | [This text should be read in deutsch] |
Welcher Teufel mag ihn nur reiten, dass er die Serben immer wieder verteidigt? Und jetzt auch noch ihren obersten Kriegstreiber, diesen Milošević... Das war wohl nicht nur meine Reaktion, als das Titelblatt der Juli/August-Ausgabe von LITERATUREN, ein Journal für Bücher und Themen, in den Buchläden auftauchte. Wahrlich ein heikles Thema, hier exklusiv aufgemacht von Peter Handke, dem umstrittenen österreichischen Schriftsteller. Der Titel seines Essays lautet „Die Tablas von Daimiel – Ein Umwegzeugenbericht zum Prozeß gegen Slobodan Milošević“.
Ich habe mich beim Lesen immer wieder dabei ertappt, mir das eine oder andere so zurecht legen zu wollen, dass es mir auch in den Kram passt. Dabei ist doch allgemein bekannt, dass der Mann seit 1996 mit seinen Schriften regelrecht aneckt, bei den standhaften Kriegsbefürwortern zumindest. „Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien“ füllte damals die Hörsäle und ließ das deutsche Feuilleton vom Aufprall der Ideen zittern. Es gelang mir, wenn auch nur sporadisch, mich von den Vorstellungen, die eine zähnjährige Zeitungslektüre in mir generiert hatte, zu lösen. Es war eine Zeitung der Donauschwaben, also jener südosteuropäischen deutschen Volksgruppe, an der Titos Partisanen nach dem Krieg ihre Wut ausgelassen hatten. Dieses Blatt war zwar unabhängig, also kein Presseorgan einer Landsmannschaft, schaffte es aber doch mühelos, dass ich schnell lernte, mit Titos Partisanen alle Serben zu assoziieren und die wiederum mit Slobodan Milošević, also Großmannssucht und Großserbenreich. Das und nichts anderes bedeutete schon immer Krieg, von meiner Warte aus gesehen, wohlgemerkt. Nun sieht das Peter Handke anders und treibt mich erst mal auf die Barrikaden. In Sätzen, die man ohne Bleistift erst gar nicht angehen sollte, erklärt er langatmig und schon darum wenig überzeugend, warum er nicht im Prozess gegen Milošević aussagen will. Das Ganze mündet in eine wahre Verdammnis der von ihm empfundenen Siegerjustiz in Den Haag. Schlimmer noch, da wird versucht, einen Kriegstreiber mit fadenscheinigen Rechtfertigungsargumenten von seiner Verantwortung freizusprechen, wenn es heißt: „Auf den Vorwurf der Anklage, den Morden und Vertreibungen an der muslimischen Bevölkerung (in den von mit ansässigen Serben beherrschten fernen bosnischen Schluchten und Bergen der «Republika Srpska») aus Belgrad wenn schon nicht Vorschub geleistet, so doch keinen Einhalt geboten zu haben durch strikte Präsidentialbefehle aus Serbisch-Serbien, antwortete Milošević in einer ersten Stellungnahme, die auch auf die übrigen Anklagepunkte einging, nur ganz kurz mit einem einzigen Satz ungefähr so: Wer meine, ein bosnoserbischer Gebietsoberer, oder auch nur – an den Ausdruck erinnere ich mich wörtlich - «ein serbisch-bosnischer Gendarm», werde sich von ihm, M., «etwas befehlen lassen», der habe keine Ahnung von einem Gendarm jenseits der Drina in Bosnien.“ Ja, wenn ich jetzt meine donauschwäbische Warte verlasse und einen banatschwäbischen Gesichtspunkt beziehe, muss ich dann die in den Jahren meines Lebens in Rumänien empfundene Abneigung gegen Ceauşescu relativieren? Werden Diktatoren nur dann schuldig, wenn sie ihre Hände selbst mit Blut beflecken? Zählen die durch ihre Politik heraufbeschworenen oder nur geduldeten Gräueltaten nicht? Da scheint sich bei Peter Handke doch einiges zu vermischen. Schuldzuweisung wem Schuldzuweisung gebührt, sollte von einem Blick ins zivile Serbien nicht entkräftet werden. Es ist eigentlich schade, dass Handke hier Kleie und Futtersack nicht voneinander trennt. Bei seinem Exkurs ins Landesinnere – die Spuren der von der NATO verursachten Kriegsschäden sind noch allgegenwärtig -, auch ins „östliche Serbien, schon halb Rumänien“, führt er uns von Krieg und Vertreibung traumatisierte Menschen vor. Und auf einen Schlag wird der Österreicher für mich glaubwürdig. Natürlich heißt Serbe, nicht gleich Täter. Die etwas schemenhaften Kontexte meiner damaligen donauschwäbischen Lektüre etwas zu ordnen, half mir schließlich meine frühere Zeit im Banat. Da war der Jivcovici Vucaşin, der einzige Serbe in unserer Klasse mit Rumänen, Ungarn und Deutschen. Er war als Kanute zwar der Stärkste, aber auch kollegial und gutmütig. Und später dann, als ich mit meiner Frau in der Coop. Timiş arbeitete, lernte sie ausreichend Serbisch, um Jahre danach einen Taxifahrer in Belgrad zu bitten, uns doch in Richtung rumänische Grenze zu lotsen. Also kann ich Slobodan Milošević seinen Aufenthalt ruhig gönnen und trotzdem Verständnis für das traurige Schicksal der „zighunderttausend Flüchtlinge in Serbien“, die aus allen Landesteilen des ehemaligen Jugoslawien vertrieben wurden, aufbringen. Peter Handkes Sympathie, besonders für den ehemaligen Präsidenten, geht mir dennoch entschieden zu weit. |
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