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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2022-02-04
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Ãœber Sommer und Ferien - Teil 5
Als ich 1992 nach vielen Jahren nach Sinaia zurückkehrte und die Kote 2000 und danach das Kreuz erreichte, habe ich geweint. Die Rhododendren waren verschwunden, es lag Stein neben Stein, eine leblose Welt, zerstückelt und grau. Vergeblich habe ich auf die Schäfer gewartet. Nur der Nebel lauerte noch hinter Felskanten. Auf einigen stand geschrieben „Vasile te f…t“* oder „Ozana puica mea“*. Ich glaube, sie waren mit einem Taschenmesser eingeritzt und dann ausgefärbt. Farbspuren deuteten auf ein unnatürliches Schwarz hin, auf die Geduld von Bergignoranten, aber auch Menschenliebhabern für eine eigenartige Schrift. Ob Vasile und Ozana auch jemals so hoch über die Welt der Täler gelangt sind. Die Menschen fuhren in Unordnung mit der Seilbahn hoch, um Kaffee zu trinken und sich zu fotografieren. Die Zigeunerinnen verkauften und aßen Sonnenblumen- und Kürbiskerne, der Berg war kleiner geworden, eine Art Platz, ab und zu im Nebel. Ich habe sie gefragt, was sie dort machen. „Wir verkaufen Sonnenblumenkerne. Sieht man das nicht?“ „Wem?“ „Schau, denen aus der Seilbahn, schau dort, du Blinde“, erklärten sie mir, in meine Richtung spuckend. Ich habe schon immer Sonnenblumenkerne gemocht, aber damals wollte ich auch dort so streng sein wie die Nichtraucher mit den Rauchern. Auf dem Berg sollten die Kerne und das Lachen mit vollem Mund um jeden Preis verboten werden! Aber dafür hat die EU keine Zeit. Menschen in Stöckelschuhen und Regenumhängen, in zerknitterten Windjacken und schreiend, so laut sie konnten, stiegen aus, schauten scheel in Richtung der Berge und betraten direkt das Restaurant. Es war dreckig, sehr. Und dann bin ich mit dem Leben davongekommen, denn auf dem Weg vom Kreuz nach Bușteni auf den Jepii* mit nur noch zwei, drei stummen Touristen, die nach ihrem flotten Gang urteilend nichts vom Berg verstanden – es waren französische Studenten, perfekt angekleidet für den Berg, aber naiv für die schweren Trassen -, habe ich vergessen, dass sich alles ändert: die Trasse wie der Mensch. Ich bin im Tal nur mit dem nackten Leben angekommen … In Sinaia kaufte ich mir eines Morgens Wasser und Milch. Die aus dem Hotel meinten, das beste Wasser bekäme man auf dem Marktplatz, und die frische Milch von den Schäfern, die noch verstreut im Tal lebten, war sowieso etwas Besonderes für alle Welt. An einem Stand zählte ein älterer Mann seine Moneten und bot sie einem aufgeschossenen Bauern mit einer kegelförmigen Schafspelzmütze an. Der Bauer lehnte sie ab. Es waren kleine Moneten und einige schienen ausländisch zu sein. Der Mann sagte leise: „Es sind Rubel!“ So, wie er aufmerksam zählte, mit dem Blick in die, im vom Nachtnebel befreiten Licht glänzende, Handfläche, kam er mir alt vor. Er war ein Mann mittlerer Größe, grau, schön rumänisch sprechend, ruhig, der Wasser kaufen wollte, aber wenige Lei und viele Rubel hatte. Es war sehr warm. Die Umstehenden wollten sich nicht mit dem Bauer vom Berg anlegen. Er schrie und spukte Worte wie „den Russen gebe ich nichts als …“ und streckte seine geballte Faust in die Höhe. Die schien uns größer zu sein, als sie wirklich war, denn sie schwebte über uns allen, so groß war der Bauer. Die Faust über den paar Ständen, so in dieser unschuldigen Sonne, ist alles, an was ich mich noch erinnere. Die Worte, die er noch über unsere Köpfe von sich gab, habe ich vergessen. Sie beeilten sich, den großen und hassbeladenen Mund des einsamen, aus den Bergen herabgestiegenen Mannes zu verlassen. Der ergraute Mann war Professor Vasile Levițchi aus Chișinău, zur Sommerakademie nach Sinaia gekommen. So lernten wir uns 1992 bei einem Glas Wasser, das er nicht mit Rubel kaufen konnte, weil niemand sie mehr wollte, kennen. Früher war der Rubel gut, man nahm ihn mit in das benachbarte Russland, zusammen mit Reisegepäck bestehend aus Unterhosen, Zigaretten und Schals mit Alpenveilchen, die verkauft wurden, um dafür Kunstalben aus der Ermitage, Ringe aus rotem Gold oder Ohrringe mit roten, für die zierlichen Ohren der Balkanfrauen viel zu großen Steinen, zu erwerben. Ja, die russischen Ohrgehänge können nur von russischen Ohren getragen werden, sie sind schwer, unbequem und die Stärke der Ohrringlein schmerzen, schmerzen sehr. Ich weiß nicht mehr, wie teuer ein Glas Wasser war. Ich hatte keinen großen Durst, aber ich musste eins für mich kaufen, sonst hätte Herr Professor meine Hilfe nicht akzeptiert. Wir haben uns dann einige Tage lang über das Leben in der Moldau, das rumänische Gedicht und über die Einsamkeit der Menschen in den von der Welt vergessenen Dörfern an der Grenze zwischen Rumänien und der Moldau unterhalten. Er war Rumänischlehrer und liebte seinen Beruf über alles. Das Wort, von dem ich immer hörte, Gnade Gottes, wurde hier Wirklichkeit. Er schrieb Artikel über die Situation in seinem Lande, schrieb mir Briefe und schickte mir Zeitschriften. Irgendwann hörte ich nichts mehr von ihm und habe später erfahren, dass er ins Jenseits gegangen ist. Seine Briefe mit den Beschreibungen seines Dorfes sowie den Sorgen um seine Schwester und sein Elternhaus sind literarische Texte. Unlängst habe ich eine aus Chișinău gekommene Journalistin kennengelernt. Sie kannte Vasile Levițchi gut und es wunderte mich nicht, wie schön sie über diesen bescheidenen Mann erzählen konnte, der die Wälder in verschiedenen Arten beschreiben konnte, und auch, wie schwer das Leben in ihnen war, weit entfernt von der Stadt. Mir hatte er gesagt, dass er dort ausharren musste, obwohl er schon lange nach Iași hätte ziehen können. Sorgen bedrückten den vorzeitig Ergrauten. Aber er hätte nicht gewusst, was er seinen zurückbleibenden Schülern sagen sollte. Ich habe es bis heute nicht geschafft, eine Gedenkveranstaltung für ihn zu organisieren. Vielleicht sollte ich das so schnell wie möglich tun, solange es noch Menschen gibt, die sich rumänische Bücher wünschen, solange es noch Kinder gibt, die keine Wörterbücher brauchen, und solange die rumänische Sprache noch einen Platz in den Gedanken und Erinnerungen einiger Menschen aus jener Zeit des Professors Vasile Levițchi hat. Die unterdrückten Kreuze – Poem von Vasile Levițchi […] Ihr, kompromittierte Steine im Rot der Sterne beabsichtigt solenn immer auf der Suche nach neuen Friedhöfen, ihr könnt nichts als das würdevolle Ende der Holzkreuze beneiden mit Ions Schreiten in die Unendlichkeit. [21.07.1994, PLAI ROMÂNESC, Chișinău] Vasile Levițchi, *15. November 1921, Carapciu am Siret, Kreis Storojinet; †21. Oktober 1997, Chișinău. Werke: "Inima iarăși" (Wieder das Herz), 1972; "Se destramă o noapte albă" (Eine weiße Nacht wird zerstört), 1985. [aus dem Rumänischen von Anton Potche] *Worterklärungen - Vasile te f…t = Vasile ich f…e dich. - Ozana puica mea = Ozana, mein Liebchen - Jepii – Bergmassiv in den Karpaten, 2071 m hoch |
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