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■ Eine Krone von Veilchen
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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2009-03-28
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Es steht nicht gut um das Kind, das den Anspruch hat, erwachsen zu sein, und glaubt, seine Nase in alles stecken zu können. In anderen Gesellschaftssystemen wurde das vielleicht als Qualität bewertet. Aber bei Makarenkos* Pädagogik wurde so etwas zur Gefahr. Der Erwachsene durfte nicht zu viel denken, geschweige den der Knirps.
Es ist augenscheinlich, dass ich nichts gelernt hatte aus dem didaktischen Tritt in den Hintern, den der sowjetische Soldat mir zärtlich am Tor des Constanþaer* Hafens verpasst hat. Und wir waren wieder am Meer, diesmal in den Ferien, natürlich mit Vater und Mutter. Als Erstes hatten wir ein Zwischenspiel mit unserer Volksmiliz, ein Vorfall den ich nie verstanden habe: Wir bewohnten das gleiche Zimmer wie vor einigen Jahren. Als sich das Problem der Kanalschließung stellte, hatte Vater die Wahl zwischen einem Verwaltungsposten im Hafen oder der Rückkehr nach Cluj*. Er konnte sich nicht entscheiden, also entschied ... ich, sie haben schlicht und einfach mich gefragt und sich dann auch nach meinem Entschluss gehalten. Vielleicht wäre das Münzewerfen besser gewesen, vielleicht wäre es Constanþa geworden, denn später haben wir es bereut, nicht am „Meeresrand“ geblieben zu sein, hätten wir doch so keine Probleme mehr mit der Ferienunterkunft am Meer. Aber wahrscheinlich wäre es mit uns nicht anders gewesen, als mit allen Konstanþaern, wir wären in die ... Berge gefahren. Als wir damals die Adresse Nicolae Titulescu 17 verließen, haben wir eine Familie mit vielen Mitgliedern glücklich gemacht, die annahmen, sie hätten den Herrgott am kleinen Zeh erwischt, als sie das Glück hatten, sich zu sechst in einem Zimmer und mit WC auf dem Korridor zusammenzudrängen, so dass die Meinen ein gutes Verhältnis zu den neuen Mietern hatten. Und in jenem Jahr 1957 überließen sie uns die Schlüssel zu unserem einstigen Zimmer, denn sie fuhren sowieso in die ... Berge. Wie auch immer, wir haben uns gefühlt wie ... zu Hause. Aus ihrer Familie war trotzdem die Großmutter in Constanþa geblieben, eine freilich alte Person und ziemlich schwerhörig sowie mit angeschlagenem Gedächtnis (man wird sehen warum). Sie war für die 10 Tage unseres Aufenthaltes zu einer Schwester nach Tataia gezogen. Nur, dass sie eines Morgens, noch beizeiten vor unserem Gang zum Strand, kam und in ihrer Wäsche in den Schränken herumstöberte, so als ob sie etwas suchen würde. Ohne etwas zu sagen ging sie murrend weg und am Abend tauchte sie in Begleitung zweier Milizmänner auf. Sie hat uns schlicht und einfach des Raubes bezichtigt, erzählend, dass sie zwischen der Wäsche eine große Summe, 16.000 Lei, deponiert hätte, ein Vermögen damals, eingehüllt in eine Zeitung – und sie zeigte die Stelle, wo sie angeblich das Geld mit eigenen Händen hingelegt habe. Die Schutzmänner haben sofort die Initiative des Geschehens an sich gerissen und uns nach allen Regeln der Kunst ausgesucht, ohne Untersuchungsbefehl, versteht sich. Wir hatten Glück mit unserer Armut. Vater war, nachdem er sein Vermögen verloren hatte, mit einem bescheidenen Ingenieurslohn geblieben, der damals kaum 1000 Lei erreichte. Sie fanden in unseren Taschen nicht mehr als ein paar armselige Hunderter und wir waren erst am Anfang unseres Urlaubs. Das Geld reichte aus, weil wir zu Hause aßen, wie schon länger üblich, und die Reise mit der Eisenbahn von Cluj und zurück kostenlos war, da Vater Angestellter der Bahngesellschaft war. Die Milizmänner hatten sich beruhigt und hoben unentschlossen die Schultern. Die Alte wurde aber immer nachdenklicher und plötzlich sprang sie an den Kachelofen, öffnete das Feuertürchen und stöberte zwischen den Papieren, die dort ungeordnet lagen, herum. Ziemlich schnell stieß sie auch auf das in die Zeitung eingehüllte Geld, dass sie, weiß der Teufel warum, dorthin gelegt und darauf vergessen hatte. Welch ein Glück, dass wir kein Feuer angefacht hatten, um uns einen Grillbraten zu machen oder etwas anderes; Diebe wären wir geblieben. Alle Ehre der Miliz, die prompt auf das Ansuchen der tauben und sklerosierten Alten reagiert hatte, denn heute kommt dir keiner, bis nicht feststeht, dass du was weiß ich durch wessen Aggression tot bist. Jetzt war es so, dass in Constanþa eine Familie wohnte, mit der wir auf irgendeine Art und Weise verwandt waren, irgendwelche Patenkinder usw., der Mann hieß Domokos und war politischer Kommissar in der Militärmarine, aber mit Wohnsitz in Bukarest. In der Hauptstadt wohnten sie in der berühmten Roma-Straße mit der Nomenklatura, die im Regelfall in den von der Bourgeoisie konfiszierten Villen residierte. Wir haben sie einige Mal zu Hause besucht, natürlich ein ansehnliches Haus, aber vor allem haben wir Silvester 1956/1957 bei ihnen gefeiert und ich hatte so die Gelegenheit, die erste rumänische Fernsehsendung zu sehen. Natürlich hatte der Boss einen Fernseher, einen sowjetischen Temp, wie nur Wenige einen hatten, aber er besaß noch ein Objekt, für das ich ihn sehr beneidete, und zwar ein Stillet, das ihm Stalin persönlich auf der Militärakademie Frunze (berühmt in der UdSSR) überreicht hatte. Es versteht sich von selbst, dass der Mann ein überzeugter Stalinist und ein Sowjetophil in allen Ehren war, also auch nicht von ungefähr mit seinen 26 Jahren schon als Oberst die Funktion eines Generals inne hatte. Für das Fernsehgerät habe ich ihn nicht beneidet, denn wegen dem habe ich die stupideste Sivesterfeier meines Lebens verbracht: Alle Anwesenden aßen und tranken mit den Hälsen ununterbrochen nach rechts oder links gedreht, je nachdem, an welcher Seite des einzigen langen Tisches sie wie in der Kantine saßen. Dann haben wir natürlich auch die zwei Patenkinder gesucht: Sie waren in einer Protokollvilla mit vollem Komfort untergebracht. Eines Tages haben sie uns auf ein Schiff der Marine eingeladen, einen Kutter mit Segeln, zum Gründeln-Fischen. Es war sehr schön, besonders weil wir viele Fische gefangen und an Deck, von den Seeleuten des Bootes zubereitet, verspeist haben. An einem anderen Tag haben sie uns in ihre Ferienvilla auf einen Likör eingeladen, von dem ich auch ein Gläschen bekam. Die Villa befand sich in der Nähe der einstigen „Griechischen Schule“, in deren Hof ich zum Pionier gemacht wurde und natürlich spürte ich wieder eine Art patriotischen Anflugs „in meiner Kupferbrust“. Und wie ich schon sagte, habe ich auch gespürt, dass ich erwachsen war, nach allen Regeln der Kunst, obwohl mir noch keine einzige Schnurbartflaume gesprossen war. Zwei weitere Marineoffiziersfamilien mit ihren typisch aufgeputzten Gattinnen waren auch noch dabei – es gab eine Zeit, da ähnelten sich alle Offiziersfrauen, platinblond, gut frisiert, grell geschminkt und gekleidet in aus den Häfen der Welt mitgebrachten Textilien. Es war selbstverständlich, dass sich alle der Ideologie unterwarfen, die der Boss vertrat. Mutter war wie üblich neutral, sie hätte gerne gesungen, kam aber nicht mehr dazu. Ihr werdet sehen warum. Vater, den ich feindlich gesinnt wusste – er soll dankbar sein, dass ich ihn nicht früher verraten habe, – zwirbelte an seinem Schnurbart herum und formulierte Sätze mit ingenieurhafter Vorsicht, er war immerhin der Einzige in der Runde mit wirklichen Schulen. Ich war ganz Ohr und wuchs in meinen Augen Minute um Minute. Man unterhielt sich über belanglose Ferienbegebenheiten, mit wenigen und billigen Witzen, über die Vater sich Mühe gab zu lachen, er, der gewöhnt war an Minister und Abgeordnete, zwar nur bürgerliche, aber immerhin. Es war normal, dass irgendwann eine Diskussion über die rumänisch-sowjetische Freundschaft aufkam. Ich habe die Diskussionsschwerpunkte nicht registriert, weil ich mit der Phrase beschäftigt war, mit der ich mein Erwachsensein unter Beweis stellen musste. Und wirklich, in einer rutschgefährlichen Phase der Diskussion, ertappte auch ich mich dabei, deutlich folgenden Satz zum Besten gebend – ich zitiere genau, denn ich konnte die großartigen Worte nie vergessen: „Nur ein Krieg kann uns noch diese Russen vom Hals schaffen!“ Was in meinem Kopf gewesen sein mag, weiß ich nicht, doch die Aussage wie aus heiterem Himmel klang zusammenhängend, mein Gott, aber eben in welchem Kontext? Im Teil einer Sekunde wurden Blicke gewechselt, alle mit allen, einschließlich Vater. Ich, stolz ob meines Eintritts in die politische Welt, habe die Farben beobachtet: Der Kommissar wurde rot, einer der Offiziere grün, Vater blau. Und nach einem Moment realer Todesstille war die gewichtige Stimme Domokos’ zu hören: „Wären wir keine Verwandten, würde ich euch alle drei auf der Stelle verhaften.“ Also Vater, Mutter und mich. Umgehend war der Besuch beendet, wir sind wie durch ein Wunder von Gefängnishaft verschont geblieben, aber wir haben diese verwandte Familie auch nie mehr gesehen. Ich weiß gar nicht, wie es ihr weiterhin ergangen ist, denn kurz danach kam die Entstalinisierung. Sollen sie gesund bleiben, gut dass sie uns damals nicht verhaftet haben! Also ist Vater wieder mit einem blauen Auge davongekommen, aber auch ich. Mutter war unschuldig und es wundert mich schon, dass sie sich nicht aufs Weinen verlegt hatte. Wahrscheinlich wurde ihr klar, dass mich keine Träne der Welt wegen meines Vergehens mehr retten konnte. Es wundert mich auch, dass ich zu Hause keine anständige Tracht Prügel bekam, die ich natürlich verdient hätte. Vater hat mich andermal schon unnötig geschlagen, und das arg, weil ich mich weigerte, mir einen Milchzahn ziehen zu lassen, aber jetzt, glaube ich, war er sich bewusst, dass meine Intervention die logische Folge der antistalinistischen Erziehung war, die er mir schon als kleines Kind angedeihen ließ. [Übersetzt von Anton Potche] Anmerkungen*: - Anton Semjonowitsch Makarenko (1888 – 1839) = sowjetischer Pädagoge und Schriftsteller - Constanþa = Konstanza - Cluj = Klausenburg |
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