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Das Zimmer mit Kindern
prose [ ]
Ich verstehe nicht, was ich machen soll...

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by [Klaus ]

2004-08-16  | [This text should be read in deutsch]  

Literary Translation - Translations of classic and original poetry and other materialsThis text is a follow-up  | 



Ich biete Ihnen die Möglichkeit, den Brief eines von meinen Kollegen, Stefan, zu lesen. Stefan hat sich im letzten Jahr des Lyzeums das Leben genommen.

N,
ich weiß wie erschĂŒttert du nach der Erfahrung des Geschehenen sein wirst, aber wisse, dass ich meine Wahl bewusst getroffen habe und wo ich hingehe, werde ich mich versöhnt fĂŒhlen.
Vor zwei Monaten hatte ich einen seltsamen Traum – ich war angeblich in einem großen Raum, ich konnte weder den Dachboden, noch die WĂ€nde sehen, und um mich, sieben Kinder spielten mit bunten Kugeln, WĂŒrfeln und Pyramiden. Ich kann nicht sagen, ob es MĂ€dchen oder Jungen waren, auch das genaue Alter könnte ich nicht mehr angeben – wahrscheinlich waren sie vier oder fĂŒnf Jahre alt... Ich habe in einem Buch gelesen, dass es keine farbigen TrĂ€ume gibt – wisse, das ist nicht wahr – die Spielzeuge der getrĂ€umten Kinder hatten helle, grelle Farben, viele von denen, die bei uns gar keine Bezeichnungen haben. Gewöhnlich sind die TrĂ€ume kurz, dieser, glaube ich, dauerte solange ich geschlafen habe – sechs Stunden. Sechs Stunden befand ich mich mitten im Zimmer unter Kindern und betrachtete bezaubert ihr Spiel mit trigonometrischen Figuren. All diese Zeit stieß niemand einen Laut aus und kein Kind schaute mich an.
Als ich erwachte, war ich berĂŒhrt vom seltsamen Bild, das ich auch bald vergessen zu können glaubte. An jenem ersten Tag schien mir alles rundherum grau und langweilig. Besonders das Lyzeum. Seit jenem Tag behielt ich nichts vom reellen Leben.
In der folgenden Nacht geriet ich wieder ins Zimmer mit den Kindern. Die sieben Kleinen begannen wieder ihr Spiel mit trigonometrischen Figuren und ich sah ihnen bezaubert zu. Am Anfang versuchte ich ihrer Handlung einen Sinn zu geben – sie arbeiteten fleißig und pedantisch am Bau, obwohl sie nichts errichteten. Ich merkte dann, dass jedes Kind mit Figuren von einer bestimmten Farbe arbeitet. Der Traum war wieder lang, diesmal aber mit einem unerwarteten Ende. Nach mehreren Spielstunden, fragte mich eines der Kinder, ohne sich umzudrehen: “Warum gehst du?“. Ich versuchte ihm zu erklĂ€ren, dass ich nicht gehe, aber in jenem Augenblick klingelte der Wecker.
Ich erwachte mĂŒde und aufgeregt. Das Bild der spielenden Kinder stand den ganzen Tag vor meinen Augen. Alles um mich schien langweilig und bleich. Ich antwortete auf keine Fragen, ich sprach mit keinem und ich wollte nur, dass die anderen mich in Ruhe lassen.
Von der Wirklichkeit losgelöst, war ich sicher, dass ich in der Nacht wieder ins Zimmer geraten wĂŒrde, wo ich mich so frei gefĂŒhlt habe.
Und wirklich, in der dritten Nacht befand ich mich wieder im Zimmer mit den Kindern. Dieses Mal habe ich sofort versucht Kontakt herzustellen, aber auf meine Fragen setzten die Menschchen schweigsam ihr Spiel fort. WĂ€hrend einiger Stunden sprang ich, hĂŒpfte ich, fuchtelte ich herum – keine Reaktion. Plötzlich sagte einer der Kleinen, wĂ€hrend er seine Spielzeuge weiter aufeinander baute: „Ich spiele gerne“.
Ich erwachte geschwitzt. An jenem Tag ging ich gerade ins Kaufhaus und kaufte mir ein Spielzeugsatz – WĂŒrfel, Kugeln, Pyramiden, aber als ich sie auspackte, fĂŒhlte ich mich naiv und hilflos. Ins Lyzeum ging ich nicht. Ich ging hin und her im Haus und konnte keinen Platz finden. In jedem Zimmer fĂŒhlte ich mich wie in einer Gruft. Ich versuchte am Mittag zu schlafen, aber – ich hatte einen Schlaf ohne TrĂ€ume. Als ich erwachte, begann ich vor Ärger zu weinen. Es war der lĂ€ngste Tag in meinem Leben. Seit jenem Moment sollte jeder Tag der lĂ€ngste im Leben sein. Nach langem Warten brach endlich die Nacht ein. Ich ging um sieben Uhr zu Bett, aber ich konnte nur nach fĂŒnf Stunden Qual einschlafen. Mein Warten wĂŒrde doch völlig belohnt.
Ich trat ins Zimmer mit den Kindern ein. Weil ich keine Chance hatte, ihre Aufmerksamkeit auf mich zu lenken, stand ich einfach da und genoss ihr Spiel – die trigonometrischen Figuren, die nie aus waren, wurden in den HĂ€nden der kleinen Zauberer zu Lebewesen. Am Ende des Traums drehte sich eines der Kinder und starrte mich an. Ich hielt das Atmen an. „Warum spielst du nicht mit uns?“
Ich erwachte verzweifelt. O, Gott, wie dumm bin ich! Warum habe ich nicht versucht, neben den Helden dieses wunderschönen Traums zu bauen?! Jener Tag war ein Alptraum. Ich fĂŒhlte die Zeit langsam, langsam vergehen, so langsam, dass sie wie die Kreide an der Tafel kratzte. Die HĂ€nde zitterten mir vor Ungeduld. Ich ging ins Lyzeum, mit dem Gedanken, dass der Ausgang in die Stadt mich aus meinem Zustand reißen wĂŒrde, aber umsonst. Ich war von einer monotonen und grauen Welt umgeben, voll von aufregenden und falschen Lauten. Um mich herum - ein Friedhof mit wimmelnden Zombies. Ich fĂŒhlte, dass ich die Bewegungen und die Sprache dieser Menschen nicht mehr zu verstehen vermochte. Alles war Unsinn. Ich wußte, dass es umsonst war, jedoch ging ich wieder um sieben Uhr schlafen. Nach einigen Jahrhunderten von Qual, schlief ich endlich ein.
Als ich ins Zimmer mit Kindern kam, fĂŒhlte ich mich wie ein Mensch, der nach langen Jahren des Herumirrens heimkehrt. Ich rĂŒckte zu einem Kind nĂ€her und begann auch etwas aus seinen Figuren zusammenzustellen. Ich baute einige Stunden lang. Es war sĂŒĂŸ und frisch. Ich fĂŒhlte nicht mein Gewicht, ich war frei. Ich wusste, dass ich alles machen kann, aber ich wollte gerade das machen, was ich machte. Plötzlich wandt sich eines der Kinder zu meinem Bau um und begann zu lachen. Auch die anderen wandten sich um – allgemeines GelĂ€chter. Dann blickte ich auch hinab, auf meine Konstruktion – sie war so dumm und primitiv im Unterschied zu denen der Kinder, sodass auch ich das Auflachen nicht halten konnte. Wir haben einige Stunden laut aufgelacht, unablĂ€ssig. Es waren wahrscheinlich die glĂŒcklichsten Stunden meines Lebens.
Seit jener Nacht verwandelte sich der Tag in eine diabolische Qual. Es war ein langes und schmerzliches Warten. Die HĂ€nde und der Kopf begannen mit der Zeit zu zittern. Ich bewegte mich immer weniger und langsamer. Ins Lyzeum, selbstverstĂ€ndlich, ging ich nicht mehr. Nur manchmal riefen mich die Eltern an, und ich sagte ihnen immer, alles wĂ€re in Ordnung. Nach einigen Wochen merkte ich, dass ich ergraute. Das aber kĂŒmmerte mich nicht. Das reelle Leben war nichts als ein Alptraum. Deshalb versuchte ich ihn zu vergessen.
Im Gegenteil, die TrĂ€ume wurden immer spannender. Stundenlang baute ich etwas neben den sieben Kleinen. Mein Etwas, manchmal gelungener, andermal linkischer, interessierte die Kinder sehr wenig. Ich aber fĂŒhlte, wie meine Konstruktion immer schöner und feiner wurde.
In einer Nacht ging alles zu Ende.
Ich war in demselben Kinderzimmer, ich war in demselben Traum, ich war aber anders. Ich war von Inspiration erfasst und sicher, dass jetzt ich bauen werde, wie nie. Ich fĂŒhlte die Figuren so, wie man die Buchstaben beim Schreiben eines Gedichtes fĂŒhlt. Ich wusste wohin ich ankommen wollte und ich beeilte mich nicht – ich war sicher, dass niemand mich aufhalten konnte. Zum ersten Mal habe ich begonnen, mit den Figuren aller Kinder zu bauen. Ich arbeitete schnell und hungrig wie ein Narr. Ich merkte gar nicht, dass die Kleinen zu spielen aufhörten und mich bezaubert anschauten.
Als ich fertig wurde, fĂŒhlte ich mich als Gott. Wahrscheinlich war ich es auch in jenem Augenblick. Einige Stunden schaute ich auf mein „Etwas“ und ich verstand, dass ich alles verstanden habe. Ich sah die Antworten auf alle Fragen. Ich sah alle Fragen.
Die Kinder haben nichts verstanden. Ihre Bauten waren Laternen ohne Leben – meiner war der sternklare Himmel. Sie spielten unaufhörlich dieselbe Note – ich habe eine Symphonie geschaffen. Einige Kinder sagten mir: „Wir spielen mit dir nicht mehr“.
Seither habe ich nichts getrĂ€umt. Einige Tage sind vergangen und ich kann nicht erfassen, ob ich schlafe oder nicht. Ich bin sehr alt. Ich bin alt und glĂŒcklich, dass ich etwas im Leben gemacht habe. Es gelang mir, mich zu wundern und das ist nicht wenig. Ich sehe keinen Sinn meines Daseins. Ich verstehe nicht, was ich machen soll...

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