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Bei der Granatapfelernte in Rahova – 45d
prose [ ]
Erinnerungsroman von Anni-Lorei Mainka [Almalo ] (1958 – 2014)
Compilation: Ãœbersetzungen

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by [Delagiarmata ]

2024-05-10  | [This text should be read in deutsch]  

Literary Translation - Translations of classic and original poetry and other materialsThis text is a follow-up  | 



Abfahrten, Zuteilungen,

So wurde ich Deutsch- und Englischprofessorin irgendwo weit entfernt von meinen Straßen, wo ich mein ganzes Leben lang ohne Angst und ohne Personalausweis und Lebensmittelkarte gelebt hatte. Jetzt hatte ich eine Karte für Öl, Milch, Brot, eine Arbeitskarte, in die meine wegen Abwesenheit zerstückelten Gehälter eingetragen wurden, ich hatte einen Personalausweis, den ich versteckt hielt, damit man ihn mir nicht endgültig wegnimmt, und große Zukunftsangst, die wie ein Efeu wuchs, das eilig Richtung Hausdach kletterte.

Im Frühjahr 1981 habe ich zum ersten Mal eine Eierschlange gesehen. Die Menschen wollten Eier kaufen und hatten sich versammelt. Nur waren sie viel zahlreicher als die Eier im Geschäft. An diesen Lebensmittelschlangen gingen die Jahre vorbei. Ja, viele Jahre und Leben, ganze Menschenleben spielten sich ab zwischen Bushaltestellen und den Schlangen für „etwas“. Der Bedarf war unerheblich, etwas zum Essen sollte es sein. Nein, es war kein Krieg, es herrschte Friede!

An Ostern 1981 kann ich mich noch gut erinnern. Es war zum ersten Mal, dass ich das Osterfest ohne meine guten Freunde, die ich ein Leben lang kannte, feierte. Mit ihnen hatte ich die Eier gefärbt, mit ihnen aß ich die gesäuerte Lamm- und Gemüsesuppe an dem Tisch im Hof und spielte danach mit ihnen Karten und Badminton oder wir liefen weit hinaus ins Feld, bis zu den Obstgärten. Sie waren vom Flughafen Otopen nach Deutschland ausgewandert. Endgültig. Vor Ostern, ohne noch eifrig nach den gefärbten Hinterlassenschaften im Hof zu suchen: „Was hat uns der Osterhase gebracht?“

Nachdem sie weg waren, verarmte unsere Welt. Die Samstage vergingen zwischen Einkaufen am Morgen, ein Tässchen „Muckefuck“, Zeitunglesen, Lernen oder Gartenarbeit, und abends die nie fehlende Teleenzyklopädie*. Ich hatte keine Spielkammeraden mehr und meine Eltern keine Gesprächspartner. Fast alle Bekannten waren weg, Bukarest hatte sich verfinstert, und die Schlangen waren nicht mehr Stunden sondern einige Tage lang. Die Pendler wurden mehr, die Freunde weniger, abends zogen wir uns an statt aus, es war kalt und dunkel. Und die Menschen wurden immer schweigsamer. Ich fuhr immer seltener nach Bukarest und wohnte jetzt neben dem Trivale-Garten*. So kam es, dass ich eine Gemeinde Ungheni im Landkreis Argeș kennen lernte und mehr Zeit in den Dörfern Găujani und Humele verbrachte, als ich mir vorstellen konnte. Einige Stunden in dem einen, einige Stunden in dem anderen. Dann eine Art „Feldhasenlehrerin“, deren Existenz von vielen Augen hinter Vorhängen beobachtet wurde, viele Stunden an den Dorfrändern und viel Zeit verbracht beim Winken den vorbeifahrenden Autos, die dich dann aus Mitleid weiterbrachten, Traktoren, die einen für Kleingeld mitnahmen, oder einfach Leute, die sich verfahren hatten und gar nicht wussten, dass du notgedrungen die Anhalterin machtest.

Warum man je öfter zurück in die Stadt wollte, verstand damals eh niemand. Die Biologieprofessorin zum Beispiel war vom Land und dorthin wäre sie auch für immer zurückgekehrt. Ihr gefielen die Schweine, sagte sie mir am ersten Tag. Dass hätte sie gerne getan, nicht Kinder erziehen, sondern Schweine züchten, sie schlachten, zubereiten und dann verkaufen. Eh, es war nicht möglich. Ihr Mann arbeitete am Bahnhof in Pitești, so etwas wie Bahnbeamter, und sie mussten in der Nähe des Bahnhofs wohnen. Wenn sie mich traurig sah, war sie verwirrt. Sie hat mich einemal zu sich nach Hause eingeladen, damit ich ihre Kinder kennenlerne, beide ausgezeichnet, selbstverständlich, und der Mann ganz frei, im Turnhemd, mit den Augen auf dem Schwarz-Weiß-Fernseher und schnell kauend, um dann mit einem Bier zur Ruhe zu kommen.

Fast alle Männer waren in jenen Jahren so. Sie lebten und füllten den Raum aus zwischen Makramees, Glasfischen und Teppichen, von denen die Haremsfrauen aus dem Sinai … oder Serail …, ich weiß nicht mehr, lächelten.
„Nein danke, ich wünsche nicht mehr … ja, es war sehr gut und, ja, das Wasser hier ist gut“, sagte ich später mit einem schwachen Herzklopfen; soll nicht auch ich in ein paar Jahren so weit kommen, mit prämierten Kindern, das trübe Wasser in Krügen lobend, die Größe der Welt vergessend.

Sie verstand nicht, warum ich nicht endgültig in eines der Dörfer zog, oder nach Costești, ein größeres Dorf mit einem Zentrum und einer Kirche. Freilich, ohne Pendeln wäre es leichter.
„Und bleibst einfach dort, heiratest, lebst. Siehst du nicht, wie die anderen es machen? So sollst auch du es machen, dann hast du keine Probleme“, flüsterte sie mir manchmal im Bus zu, wenn sie im Makramee-Häkeln innehielt. Ich habe mich brüsk erinnert: Wer nicht schlief, wer nicht traurig durch die schmutzigen Fenster des Busses, der in allen Gelenken knarzte, als würde er unter dir auseinanderbrechen, Fenster, durch die man sowieso kaum etwas sah, der „machte“ Makramees.

Aus einem Eck der Tasche hing ein Faden, die Hände bewegten sich hurtig und mit einer Häkelnadel verknüpfte und entknotete sie den Faden. Sie hatten einige Modelle, häkelten bis zum Umfallen, und legten dann diese gehäkelten Blätter, Trauben, Dreiecke und runde, mattgelbe Scheiben auf alles, was ihnen begegnete, und wenn sie die Wohnungen voll hatten, wurden die Makramees verschenkt, und füllten andere Regale, Tische und Tischchen, Fernseher und Fensterbretter.

Du liefst Gefahr, ohnmächtig zu werden, wenn du den Händen zusahst, die sich zwischen Häkelnadel und Zwirn sowie zwischen Tasche und Ellbogen bewegten. Letztere machten Bewegungen wie die eines Schwimmers, der nach Luft schnappt. Die war sowieso stickig von den Gerüchen, die den ganzen Tag im Bus ohne den schwächsten Durchzug, spazieren fuhren. Ich glaube, in jener Zeit auch einige Blätter bekommen zu haben. Eines hat in einer stummen Truhe im Keller überlebt. Viel ist nicht mehr in ihr. Lediglich Gegenstände, die bei jedem Umziehen von uns, „den Flüchtlingen“, als Spenden betrachtet wurden. Wir wussten nicht, was mit ihnen anzufangen, aber wie sollten wir Sachen, die so viel mitgemacht hatten, wegschmeißen? Sie waren doch abgewogen und ihre Begleitpapiere von Grenzbeamten gestempelt, signiert und gelocht!

Ich erzählte der Biologieprofessorin, dass ich nach Bukarest ins Theater fahren und in eine Buchhandlung gehen will, um von meinen ehemaligen Schülerinnen zu erfahren, was in den Kinos läuft.
„Warum? Schau, wir leben alle ohne Kino und Buchhandlung! Siehst du jemand aus diesem Grund in diesem Busbahnhof weinen?“, äußerte sie ehrlich ohne Vorwurf in der Stimme ihr Bedenken.
Sie war eine dürre Frau, trug die traditionellen Dauerwellen und den Goldzahn bescheiden im Mundwinkel. Die Fingernägel zyklamrot, ihr zartes Veilchenparfüm mischte sich unter die beißende Luft des Busses. Mit kleinen Schweißperlen auf der Stirn fragte sie: „Und Ani, was ist das eigentlich, ein Kino?“

Ich habe oft an ihre Ratschläge gedacht, aber gemerkt, dass diese „Zwecklosigkeiten“, die sie nicht schätzte, das Wesen meiner Tage ausmachten.


[aus dem Rumänischen von Anton Potche]


*Worterklärungen
- Teleenzyklopädie = TV-Nachrichtensendung mit vorwiegender Propaganda des kommunistischen Regimes
- Trivale-Garten = Tierpark in Pitești (Kreishauptstadt des Kreises Argeș)

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