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(Politische) Kindheitserinnerungen - Folge 2
prose [ ]
Das Motorrad und das geduldete Fremdgehen - 1946 - von Valentin Tascu [valentintascu ]
Compilation: Ãœbersetzungen

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by [Delagiarmata ]

2008-08-15  | [This text should be read in deutsch]  

Literary Translation - Translations of classic and original poetry and other materialsThis text is a follow-up  | 



Ich war kaum zwei Jahre alt. Die Kommunisten, vom König geduldet, haben es sich in ihren Stühlen kommod gemacht und begonnen, sich zu verteidigen, haben die ersten Polizei- und Securitatestrukturen gebildet. Ich selbst habe das damals natürlich noch nicht begriffen, sondern erst etwas später, aber erfahren habe ich davon aus den Erzählungen des Vaters. Es war keineswegs so, wie der „Berufsrevolutionär“ Sergiu Nicolaescu uns mittels seiner Kommissarfigur Moldovan aus dem Film „Mit sauberen Händen“ überzeugen wollte. Die neuen Polizisten, noch unter der Bezeichnung Staatssicherheit, bald zur Staats-Securitate mutiert (SS überall), in der Regel vom Pflugsterz gekommen, von der Drehbank oder sogar vom Kuhschwanz, alle mit so vielen Klassen wie der Zug, also drei (damals gab’s noch die dritte Klasse mit den Holzbänken), verstanden keinen Scherz. Sie hatten – niemand weiß genau von wo – einige Begriffe aufgefangen: Großbauer, Sabotage und andere, genug, um unschuldige Menschen unter schwerwiegende Beschuldigungen zu stellen, oder schuldige, weil sie noch bürgerlich-gutsherrliche Krawatten oder Hüte trugen.

Vater, von Beruf Nomade (Wege- und Brückenbauer) war aus Arad angekommen, just auf der Strecke Ilva Mică – Vatra Dornei. Sie waren nur einige Ingenieure, der Rest Hilfsarbeiter, die sich gerade vorbereiteten, Führungsklasse zu sein (mit vier Klassen, also noch mehr als der Zug). Gearbeitet wurde zwar, aber mit rudimentären und wahrhaft heldenhaften Mitteln, das Hauptwerkzeug war die Spitzhacke. Mit der Spitzhacke begannen sie auch die Gewissen zu zertrümmern, nach der Grundmelodie: „Hei rup! Hei rup! Hei rup, bum! Im Kampf des Brigadiers!“ Weil es langsam vorwärts ging, ich weiß nicht wer und nicht warum, sprach einer das magische Wort „Sabotage“ und schon haben die Moldovan-Kommissare, alias Moldauer (weil wir waren wirklich in der Moldau, mehr noch, in der Bukowina) den Abschaum der Baustelle, also die Intellektuellen, die wenigen Ingenieure und Buchhalter - unter ihnen, logisch, auch Vater - sauber, verfassungsgemäß aufgeblasen. Das Kriegsgericht aus der Kriegszeit war anscheinend noch nicht aufgelöst, so dass man sehr schnell, ohne Zögern die Todesstrafe verhängte.

Etwas früher hatte sich Vater von Buzău, dem Herkunftsort der Bojaren Taşcu, das Motorrad mit Beiwagen gebracht, weil der in den 30er Jahren aus seinem großen Ingenieurgehalt gekaufte Luxuswagen für die Front requiriert worden war. Ãœber den Wagen, mit dem Mutter sich noch fotografieren lassen konnte, erzählte Vater, dass er einer der wenigen im Land war. Er gelangte mit dem Fahrzeug in der Kriegszeit sogar bis Deva (auf die Eisenbahnbaustelle Deva – Brad, bis heute nicht fertig gestellt) und hat so Mutter erobert, eine aus dem nach dem Diktat von Wien besetzten Cluj nach Simeria Geflüchtete. Vater sagte noch, dass man ab und zu in dem spärlichen Verkehr eine spezielle Hupe vernahm: Es war die von König Michael, ein bekannter Liebhaber von Autos und Motoren. Er hielt rechts an, bis der königliche Bolid vorbei war. Ich habe ihn nicht erlebt (den Wagen natürlich), aber ich habe ihn auf den Bildern mit Mutter, außergewöhnlich jung und sehr hübsch, bewundert. Hingegen erinnere ich mich an das Motorrad mit Beiwagen, mit dem ich mit den Meinen durch die Bukowinaer Landschaft schweifte. Ich habe auch ein Foto an seiner Lenkstange, mit dem ich mich sehr stolziere (selbstverständlich mit dem Foto, denn das Motorrad ist auch weg). Ich war froh, dass sie Vater eingesperrt hatten, nicht wegen was anderem, aber ich blieb allein mit dem Motorrad und konnte nach Lust und Laune darüber verfügen.

Vater aber, als er dass Urteil vernahm, wurde auf der Stelle weiß. Das war überhaupt kein Scherz, Geschichten mit diesen Hinrichtungen im Block trugen sich fast täglich zu, im besten Fall konnte das Urteil in eine lebenslange Haftstrafe und die Konfiszierung aller Güter umgewandelt werden (also auch des Motorrads, was mir als das Schlimmste erschien).

Wie Vater nur mit ergrautem Haar davonkam, gehört ins Reich der Phantasie, übertrifft es doch jede Vorstellung, wie es schon oft mit der Realität geschah.

Unter den zusammen mit Vater Verhafteten war auch ein Familienfreund, mit dem Namen Petre, Ingenieur, von der ganzen Welt als Petrică liebkost und als Petrică der Hirsch glorifiziert. Warum Petrică der Hirsch? Weil er eine nette und leichtlebige Frau hatte, über alle Maßen großzügig, ihren Charme unendgeldlich mit einem unbeschreiblichen Enthusiasmus austeilend. So dass die Kumpels, die sich wohl auch an der Sünde der Marketenderin reichlich regaliert haben werden, ihm die Ochsenhörner aufsetzten und, weil diese sich vermehrten, ihm noch einen herrlichen Hirschkopfschmuck hergerichtet haben. Es zirkulierten pikante Gerüchte über dieses Paar, die es selbst kolportierte, war ihre Mutter ihm doch eine ergebene Vertraute. Also wussten alle um die Abenteuer der feinen Dame, die mit dem einen oder anderen für Tage nach Suceava oder Iaşi verschwand, aber immer mit höchster Zärtlichkeit zu ihrem geliebten Gemahl zurückkehrte, der auch von ihrem Wiederkommen immer sehr angetan war, weil es schien, dass die Frau nicht leicht zu befriedigen sei, so dass auch er seine Portion bekam. Er war bei weitem kein Impotenter, aber sprichwörtlich erfuhr nur er nicht, was das ganze Dorf (Baustelle) schon wusste. Das Höchste war, dass die Frau ihren Mann wirklich liebte, und war es nur darum, weil nur Wenige es ertragen hätten, mit solch heiterer Ignoranz so viele Hörner am Kopf zu tragen.

Ihre wirkliche Liebe konnte man an eben jenem tragischen Todesurteil erkennen. Das Urteil war gefällt, aber eine Berufung noch möglich, die aber wenig Chancen auf Erfolg hatte, benötigte die junge proletarische Gesellschaft doch dringend Feinde und Opfer. Mutter, eine ehrliche Frau, hat sich hausfraulich aufs Weinen verlegt, mit dem Gedanke an Totenmahle, Witwenschaft, an mich: Sie weinte und mehr nicht. Die Frau des Petrică der Hirsch hat sich hingegen an die Arbeit gemacht: Sie hat ihre Reize zur Gänze eingesetzt, sie an jeden, der etwas mit dem Prozess zu tun hatte, verteilend, vom Gefängnishüter zu den Geschworenen und natürlich zur gesamten Militärstaatsanwaltschaft und den unerbittlichen Richtern. Doppelter Effekt: Auch allein zu Hause, sättigte sie ihre Gelüste ohne Zeit- und Raumeinschränkungen nicht mit Eckel; im Gegenteil, weil die Verantwortungsträger waren in der Regel junge Leute und kämpferisch, aber etwas „gesetzt“; um es zum Schluss fertig zu bringen, den gesamten Kriegsgerichtshof zu verführen, so dass zur Ãœberraschung der Skandalpresse (die zu jener Zeit des romantischen und moralischen Kommunismus gar nicht existierte) das Urteil nicht geändert, sondern aufgehoben wurde und die Angeklagten auf der Stelle entlassen wurden. Das Ganze dauerte nur zwei Wochen, wie in einem Gruselfilm in Zeitlupe.

Vater kam ergraut nach Hause, aber lächelnd und als Erstes, was er unternahm, war, uns ins Motorrad zu heben und in einen schönen Urlaub zu fahren, in dem Mutter fast die ganze Zeit mit ihrer kristallenen und starken Koloratursopranstimme lachte.

Im Gegensatz dazu fing das Weib des Petrică der Hirsch bei seiner Heimkehr an zu weinen. Wahrscheinlich hat sie bereut, dass der Prozess so kurz war, weil sie hätte noch einige Kopfkissen zum Zerknittern gehabt. Aber sie begnügte sich mit Petrică und beide lebten glücklich bis ins hohe Alter in der währenden Ignoranz des glücklichen Gatten. Meine Eltern haben die zwei im Alter wieder getroffen und zwar in Vatra Dornei. Das bei dieser Gelegenheit geschossene Bild zeigt menschliche Ruinen. Ich habe versucht, zu erraten, welche der respektablen Frauen die richtige war. Unglaublich, sie war unerhört alt und gebrechlich. Schön war nur Mutter geblieben - denn ist es nicht so? -, die Mütter sind eben Mütter.

So wurde mir später klar, wie falsch Sergiu Nicolaescus Gestalt Moldovan war, unbestechlich und gerecht. Die Korruption und Immoralität hatten sich schnell in den Unterdrückungsorganen eingenistet und so ist es bis auf den heutigen Tag geblieben, wie es uns fast täglich die jetzt freie Skandalpresse enthüllt.

[Ãœbersetzt von Anton Potche]

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