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- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - 2012-03-07
| [This text should be read in deutsch]
Wir verlieĂen RumĂ€nien im tiefsten Winter, ein schrecklicher Frost, und der Flughafen Băneasa war zugeschneit. Die ZollformalitĂ€ten haben wir schnell hinter uns gebracht. Jeder von uns hatte das Recht, 70 kg GepĂ€ck mitzunehmen, das allerdings in Kisten auf dem Meeresweg verschickt wurde. Der Tarom-Flug nach Tel Aviv sah einen Zwischenstation in Istanbul vor. Im Flugzeug traf ich auf zwei FuĂballer meines Lieblingsvereins Steaua, Constantin und Jenei, die schon vor ihrem Karriereende standen und in der TĂŒrkei spielten. Bewegt, bat ich sie um Autogramme, erzĂ€hlte ihnen, dass ich nach Israel auswandere und nicht wisse, ob ich mich dort anpassen werde; sie lĂ€chelten mir zu und versicherten mir, dass Israel schön sei, und ich versicherte ihnen, dass ich ihre Erfolge auch weiterhin mit dem gleichen Eifer verfolgen werde.
Mein Weggehen aus RumĂ€nien war ein sentimentales Drama. In den letzten Monaten hatte ich eine Leidenschaft fĂŒr Jeni entwickelt, eine Dunkelhaarige mit Mandelaugen, etwas kindisch, unberechenbar, mit der ich zum Tanz ging, zu den Auftritten der Rockbands jener Zeit, Coral, Mondial, Sideral, Phoenix, ins Studentenheim auf dem Plevnei-Boulevard, ins â303â und in die Kulturheime. Obwohl ich erst LyzeumschĂŒler war, gelang es mir, dank einiger Ă€lterer Kumpels oder der Unaufmerksamkeit der TĂŒrsteher, ohne Studentenausweis reinzukommen. Also hatte ich mich in Jeni verliebt, erlebte aber nach einigen Monaten eine schwere EnttĂ€uschung, zog sie doch einen Verse im Stile Ion Barbus* schreibenden Studenten vor und bewegte sich im Unfeld von SĂąnziana Pop*, in der Hoffnung veröffentlicht zu werden. Ich erinnere mich an sie im Student Club, an einem anderen Tisch, dahingeschmolzen von âLiebe, Porzellanbibellotâ*. Sie beachtete mich nicht, ich war nur ein LyzeumschĂŒler und nicht mehr, ohne kĂŒnstlerische oder literarische Perspektiven. Diese EnttĂ€uschung hat bei mir eine ungeahnte Ambition ausgelöst. Wenn dieser Mihai, so angebetet, Verse ĂŒber Schnecken schrieb, könnte ich doch vielleicht irgendwo in mir einen Schatten poetischen Talents finden. Wettbewerbsgeist hatte ich reichlich. Ich habe mich in mein Zimmer eingeschlossen und es geschafft, in sieben Tagen zehn Gedichte zu schreiben. Die habe ich dann âins Reineâ ĂŒbertragen und sie am Tor der Zeitschrift ROMĂNIA LITERARĂ, fĂŒr die Rubrik Redaktionspost, geleitet von Nina Cassian*, abgegeben. Ich war noch in RumĂ€nien, als die Antwort kam, positiv, aber auch kritisch. Nina Cassian war der Meinung, dass von allen das Gedicht âDuâ es verdient, veröffentlicht zu werden. Ich machte mir keine Illusionen, wusste, dass ich das Land verlassen werde; ich war ein unbekannter Jugendlicher, wahrscheinlich werden meine unscheinbaren Werke in einem MĂŒllkorb enden. Von rechts nach links Der Flughafen von Tel Aviv lag eigentlich 20 km von der Stadt entfernt, in Lod. Wir wurden von Familienmitgliedern empfangen, von denen ich einige nie gesehen hatte, sie waren gleich nach dem Krieg ausgewandert. Ich hörte, âgut, dass ihr entkommen seidâ, âendlich seid ihr nach Hause gekommenâ. Persönlich sah ich aber alles als vorĂŒbergehend an, meine Gedanken flogen zurĂŒck in das Bukarest meiner Kindheit, zu den Freunden, deren Wiedersehen ich erhoffte, und das recht bald. Beim Verlassen des Flughafens war ich von dem im Vergleich zu RumĂ€nien andersartigen GrĂŒn ĂŒberrascht, dem dichten Regen, den Palmen. Schon bald kamen wir in ein Aufnahmezentrum neben Nethania, das den Namen âHahof hayarok â GrĂŒner Strandâ trug, wo die Familie HebrĂ€isch lernen sollte, das mein Vater einigermaĂen aus der Kindheit beherrschte. Nach wenigen Wochen wurde ich direkt in die Stadt Nethania, ins Hotel Margoa ĂŒberwiesen, ein studentisches Umfeld, Stil Internat, das der UniversitĂ€t Tel Aviv gehörte. Zusammen mit gleichaltrigen Jugendlichen aus vielen LĂ€ndern sollte ich mir eine schwierige Sprache aneignen, die man von rechts nach links schrieb. Wir kommunizierten vorwiegend auf Englisch und Französisch. Viele kamen aus SĂŒdamerika, Frankreich, UdSSR, Polen, SĂŒdafrika, TĂŒrkei und nur einige aus RumĂ€nien. Mit diesen habe ich mich schnell befreundet. Das Sprachengemisch hat mich fasziniert, noch nie hatte ich ein derartiges Amalgam von Kulturen, MentalitĂ€ten, BrĂ€uche erlebt. Einige waren schon in zionistischen Jugendorganisationen gewesen, von denen ich in RumĂ€nien nur vage etwas gehört hatte, im Zusammenhang mit einigen Freunden meiner Eltern, die schwere Kerkerjahre mitgemacht hatten, weil sie des Zionismus beschuldigt worden waren und ins Land der Juden emigrieren wollten, das selbe, den âJudenâ, nationale Minderheit, vorbehaltene PalĂ€stina. Als ich an einem Wochenende in das Aufnahmezentrum kam, in dem meine Eltern einquartiert waren, wurde ich von Vivi, der Tochter eines Arztes, der einst Kommilitone meiner Eltern gewesen war, angehalten. Sie zeigte mir einen soeben aus Bukarest eingetroffenen Brief. Es wurde darin ein Gedicht aus der ROMĂNIA LITERARĂ erwĂ€hnt, das fĂŒr viel Unruhe unter den Lyzeanern gesorgt hat. Man hatte ihr das aus einer Zeitung ausgeschnittene Gedicht geschickt, es war âDuâ, und der Autor ich, Vlad Solomon vom Rande des Cişmigiu. Freilich wusste man in der Redaktion nicht, dass ich ausgewandert war, sonst wĂ€re es nicht veröffentlicht worden. Es kam mir nicht zum glauben, alles begann doch nur aus der Ambition heraus, mir zu beweisen, dass ich fĂ€hig bin, Verse zu schreiben, aus reinem Turniergeist. Nach Nethania zurĂŒckgekehrt, habe ich meinen Kollegen meine Emotionen offenbart und ihnen in einem Sprachgemisch meinen ersten literarischen Versuch ĂŒbersetzt. Viele Jahre spĂ€ter, 1984, Ă€uĂerte meine Mutter auf dem Sterbebett den Wunsch, dass meine Gedichte in einem Buch mit dem Titel âIn uns ist ein wahrheitsgetreuerer Himmelâ gesammelt werden sollen. Der erste Augenblick In den Kursen trug man uns auch etwas aus der Geschichte und Geografie Israels vor, wir lernten von den Gesetzen des Landes, den zionistischen Bewegungen, Kriegen, Gesetzgebung, politischen Strukturen â wie sonderbar, ein so kleines Land, aber mit so vielen Parteien -, der hebrĂ€ischen Literatur... Von Zeit zu Zeit wurden auch AusflĂŒge ins Land organisiert. Ich glaube, meine erste Reise war Jerusalem. Ich hatte viel ĂŒber Jerusalem gehört, wusste, dass es die Hauptstadt Israels war, von anderen Staaten nicht anerkannt, die âheiligeâ Stadt, wo die Könige von frĂŒher regiert haben, wo Juden, Christen und Muslime zu dem gleichen Gott beteten. Aber mich reizte der Besuch in Jerusalem nicht, ich trĂ€umte vom Cişmigiu, dem See HerĂŁstrĂŁu, von Sinaia*, Prevert, Andre Gide, den Novellen Mircea Eliades*, von Petru Popescus* Roman âGefangenâ und besonders von SECOLUL 20 und ROMĂNIA LITERARĂ. Ich schloss mich aber den Kollegen an, machte es doch keinen Sinn allein im Hotel zu bleiben. Am Tor der altertĂŒmlichen Festung stieg ich gleichgĂŒltig aus dem Bus, spĂŒrte mich aber brĂŒsk von etwas Unsichtbarem niedergeschmettert. Wir steuerten auf das Herz der Altstadt zu, bei jedem Schritt erschauerte ich, mich einem unbekannten Ort mit der Vorahnung nĂ€hernd, dass ich mich mit einem Teil von mir selbst auseinandersetzen werde. Plötzlich tauchte vor mir die Klagemauer auf. Ich hatte sie auf Postkarten gesehen, wusste, dass es ein Platz der GlĂ€ubigen war, Teil des einstigen Tempels, ich zitterte, vibrierte, mein ganzes Wesen ward von einem sonderbaren GefĂŒhl erfasst, es waren nur ein paar Steine, aber die zu mir sprachen, unklare Bilder in mir hervorriefen... Hier zogen die Juden von einst vorbei, ich fĂŒhlte mich an diesen Ort gebunden, als hĂ€tten alle meine Vorfahren in Jerusalem gelebt, erwĂ€hnt in den jĂŒdischen Gebeten, in unzĂ€hligen BĂŒchern, es blitzten Emotionen auf, die ich nicht beherrschen konnte, was passierte mit mir, ich bin nicht religiös, warum fĂŒhle ich mich von dieser Mauer magnetisiert, in eine andere Dimension geschleudert, auf eine gemiedene Vergangenheit, die mich aber einholt, sie umhĂŒllt mich und nagelt mich an einen Ort, als hĂ€tte ich in ihm schon mal gelebt, die Mauer nĂ€herte sich mir, die Steine sahen mir in die Augen und forderten mich auf, sie zu berĂŒhren... Es war zum ersten Mal, dass ich mich als Israeli fĂŒhlte. Vielleicht war ich nie RumĂ€ne gewesen, sondern fĂŒhlte mich bloĂ hingezogen zu Menschen, zur Kultur, zu dem Viertel, in dem ich aufwuchs, zu Kollegen... War ich wirklich, wie viele mich einstuften, ein Volksfremder oder war meine Abstammung, von der ich glaubte, sie mir auswĂ€hlen zu können, doch stĂ€rker als mein Entschluss, RumĂ€ne wie alle anderen zu sein? Ich war von einem Moment auf den anderen Jude und Israeli geworden, ein anderer, nicht derselbe, der aus Minulescu rezitierte, oder vielleicht doch der gleiche, aber der sich als Gleicher unter Gleichen fĂŒhlen konnte, Jude unter Juden. Welches Geheimnis birgt dieses Jerusalem, das mich Tausende von Jahren zurĂŒckwarf, ohne sich um mein Bestreben zu scheren, die BrĂŒcke zu RumĂ€nien zu bewahren, zur Literatur des Ursprungslandes mit den tiefen Spuren der Jahre, die ich jenseits des Mittelmeeres durchlebt habe? Der zweite Augenblick Wie jeder Israeli musste ich MilitĂ€rdienst leisten. In der Ausbildungszeit habe ich viele Emigranten aus RumĂ€nien kennengelernt, ich war in einem Zug mit neu Angekommenen, hebrĂ€isch âolim hadashimâ genannt, und nĂ€herte mich natĂŒrlich diesen aus dem Herkunftsland Stammenden an. Irgendwann brachten sie uns in einer Baracke unter, zwölf RumĂ€nen und zwölf Polen. Oha! Wie viele Konflikte zwischen uns entstanden, als hĂ€tten wir aus den MutterlĂ€ndern die Jahrhunderte zurĂŒckliegenden Kriege importiert. Ăbrigens zirkulierte in Israel der Mythos der Feindschaft zwischen den RumĂ€nen und Polen, der dem Umstand zuzuschreiben war, dass die Juden aus Polen ĂŒberwiegend vor der Massenemigration aus RumĂ€nien gekommen waren und selbstverstĂ€ndlich SchlĂŒsselpositionen einnahmen, neben den âDeutschenâ. So ist auch die falsche Ăberzeugung entstanden, die âRumĂ€nenâ wĂ€ren benachteiligt worden und nicht entsprechend vertreten in Regierung und Parlament. Diese Konflikte registrierend, haben die Kommandanten beschlossen, die frisch ausgewanderten Soldaten mit den in Israel geborenen in verschiedenen ZĂŒgen zusammenzufĂŒhren, was uns am Anfang empörte, sich aber als richtig herausstellte, waren wir doch nicht nach Israel gekommen, um in StĂ€mmen gruppiert zu bleiben. Viele Momente meiner MilitĂ€rszeit, die ich in einigen Etappen absolvierte, sind mir im GedĂ€chtnis eingeprĂ€gt geblieben. Aber die Tage, an denen ich an der Grenze zum Libanon diente, erlebe ich ab und zu, als wĂ€ren nicht fast 40 Jahre vergangen. Wir mussten die Ortschaft Shtula beschĂŒtzen, die genau auf der Grenze lag, und patrouillierten zwei und zwei nachts oder beobachteten aus einem Turm die verdĂ€chtigen Bewegungen jenseits des Stacheldrahts. Von Zeit zu Zeit drangen Terroristen aus dem SĂŒden Libanons ein, um AnschlĂ€ge zu verĂŒben. Manchmal fanden auch Feuerwechsel statt, nicht nur an der Grenze, sondern auch zwischen libanesischen Christen und Muslimen. Wir hatten den Auftrag, Shtula zu beschĂŒtzen, nichts Heldenhaftes, wir mussten nur patrouillieren und die Ruhe der Einwohner sichern, die im Lauf der Jahre genĂŒgend Traumata erlebt hatten. Die NachtkĂ€lte war schrecklich, drang uns in die Knochen, aber die Sinne waren geschĂ€rft und wir spitzten die Ohren bei jedem Knistern des Waldes. Wildschweinrudel haben unsere Nerven oft auf die Probe gestellt und die Schakale und FĂŒchse schlichen sich an, um ihren Hunger mit gestohlenen HĂŒhnern zu stillen. Wir mussten sehr vorsichtig sein, dass uns ja keine Kugel entwischte und durften nicht ĂŒberhastet reagieren oder uns von irgendeiner Bewegung irritieren lassen, die unsere Aufmerksamkeit ablenken konnte. Eines Nachts drehten wir unsere Runden, ein Kollege und ich, es herrschte eine absolute Stille, so als wĂŒrde sie nichts Gutes verheiĂen, nur vom Gejammer der Schakale unterbrochen. Mir wurde plötzlich bewusst, dass ich dort, in der ersten Linie, fĂŒr die Sicherheit des ganzen Dorfes verantwortlich war. Obwohl ich eine kleine Schraube im Getriebe der Armee war, konnte mein Einsatz an der libanesischen Grenze kein Zufall sein, das ganze Land verlieĂ sich auf mich, auf meine Wachsamkeit und meine Vorbereitung, auf die Ernsthaftigkeit, mit der ich meine Rolle ausfĂŒllte. In jener Nacht passierte, zum Unterschied von anderen, nichts. Oder doch: Ich wurde Israeli. - Fortsetzung folgt â ErlĂ€uterungen* Ion Barbu (1895 â 1961) = rumĂ€nischer Mathematiker und Dichter SĂąnziana Pop (*1939) = rum. Schriftstellerin, Herausgeberin der Zeitschrift FORMULA AS âLiebe, Porzellanbibelotâ = erster Vers aus einer Romanze von Ion Minulescu Nina Cassian (*1924) = rum. Dichterin, Essayistin, Ăbersetzerin Sinaia = beliebter Luftkurort im Bucegi-Gebirge (Karpaten) Mircea Eliade (1907 - 1986) = rum. Religionswisenschaftler, Philosoph und Schriftsteller Petru Popescu (*1944) = rum. Schriftsteller, Drehbuchautor, Filmproduzent, lebt in Amerika [aus dem RumĂ€nischen von Anton Potche] |
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